Sonntag, 22. März 2015

Faulheit gibt es nicht


Faulheit ist die Todsünde Nummer 1 in der westlichen Welt.

Wer faul ist, hat Schlechtes verdient. Wer faul ist, ist ein Schmarotzer. Wer faul ist, kennt keine Moral und Sitte. Wer faul ist, gefährdet Wohlstand und Wachstum. Wer faul ist, verhöhnt die Gemeinschaft der fleißigen Arbeitnehmer. Wer faul ist, der setzt seine Daseinsberechtigung auf's Spiel.

Der (vermeintliche) Gegensatz 'fleißig vs. faul' scheint, zumindest in der kapitalistisch-neoliberal geprägten Gesellschaft, in seiner Signifikanz die uralte Unterteilung 'gut vs. böse' mittlerweile fast eingeholt zu haben. Oder besser gesagt: fast ersetzt. Denn Fleiß wird de facto als das Gute schlechthin angesehen und Faulheit als böse, lasterhafte Versuchung, der man nur selten nachgeben darf (wenn, dann höchstens in klar abgesteckten und fremdbestimmten Zeiträumen wie Wochenende, Urlaub, Feiertage).

Es lohnt sich, sich die generellen Fragen zu stellen:
Was soll der Begriff "Faulheit" eigentlich ausdrücken? Gibt es überhaupt "die Faulheit" per se?

Als "faul" wird meist Jemand bezeichnet, der körperlich inaktiv/ träge ist und keine Lust darauf hat, Ziele und Aufgaben zu erfüllen, die ein Anderer als sinnvoll und notwendig erachtet. Oft handelt es sich dabei um relativ banale Alltagstätigkeiten wie Haushaltspflege, Hausaufgaben, Erledigungen usw. Es kann sich aber auch auf grundsätzlichere Punkte wie Erwerbsarbeit oder langfristige Arbeit an der eigenen Gesundheit beziehen.

Der "Andere", der die Position des Mahnenden, Wissenden und Fürsorglichen einnimmt, wird irgendwann ungeduldig und ärgerlich, weil der "Faule" sich nicht nach den Ansprüchen des Anderen richtet, welche er selbst für vollkommen gerechtfertigt und richtig hält. Dabei handelt der Faule einfach nach seinen eigenen, momentanen Wertmaßstäben, die teilweise massiv davon abweichen, was der Großteil der (bürgerlichen) Mitmenschen für wichtig und erstrebenswert hält. Wie zum Beispiel das Erkämpfen einer hohen Position im Job, der Erwerb eines Führerscheins, wöchentlich Großputz machen oder der tägliche Gebrauch von Zahnseide. 

Nur weil der Faule in diesen Aspekten wenig Ambitionen zeigt, heißt das nicht, das er zwangsweise eine "faule Sau" ist und dass er seine Energie nicht leidenschaftlich in ganz andere Bereiche steckt (beispielsweise in: aus dem Fenster gucken, rauchen, lesen, Kaffee trinken, Kronkorken sammeln, Obdachlose bekochen, an die Decke starren, Go-Kart fahren).

Deshalb habe ich ein Problem mit dem Begriff "Faulheit": wenn Jemand "faul" ist, setzt er schlichtweg andere Prioritäten. Er erachtet andere Sachen als wichtiger und grenzt sich bewusst von den Erwartungen Anderer ab. Er leistet passiven Widerstand. Er entscheidet selbst, was in diesem Augenblick gut für ihn ist. 

Und das wiederum steht bei mir ganz oben in der Werteskala.


2 Kommentare:

  1. Besonders "faul" sind ja diejenigen, die andere für sich arbeiten lassen, Milliarden-Subventionen kassieren oder noch besser: das Geld für sich "arbeiten" lassen. Was das mit Fleiß zu tun haben soll, wollte sich mir noch nie erschließen.

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