Dienstag, 29. März 2016

Action gegen die Stille im Kopf


Wenn man unter Depressionen leidet, bildet man sich ein, alle Anderen führten ein erfülltes und glückliches Leben voller Liebe, Leidenschaft und bedeutsamer Erfahrungen und man selbst sei der Einzige, der mit Gefühlen der inneren Leere und Sinnlosigkeit der eigenen Existenz zu kämpfen habe. Man (oder besser gesagt: ich) will das auch, was „die“ haben, will die Fantasie leben, die mir schöne Reisefotos, rotwangig strahlende Mittdreißigerfrauen auf Fixie-Rädern, fesch gekleidete Paare in Altstadt-Bistros und Vice-Artikel über die geilsten Studenten-WG-Parties versprechen. Große Verzweiflung und Selbstvorwürfe, als ich nach zahlreichen kräftezehrenden Anläufen und Therapien begreife, dass ich der ersehnten Eingliederung in das große Kollektiv der „Ich führ' ein geiles Leben“-Menschen kaum näher gekommen bin.

Doch ist das überhaupt ein lohnenswertes Ziel? Mittlerweile hege ich den Verdacht, dass sich viele meiner Mitmenschen einfach bessere Verdrängungsmechanismen angeeignet haben, die sie glauben machen, sie seien nicht von Einsamkeit, Stumpfsinn oder der nicht klärbaren Frage nach dem „Warum?“ betroffen. Denn das sind keineswegs Belange, die ausschließlich Depressionserkrankte betreffen. Warum sollten Alle außer mir eine „magische Formel des Glücks“ kennen, die den gähnenden, tiefschwarzen Schlund der Vergeblichkeit, den ich in jedem menschlichen Wesen vermute, stopft?

In Zeiten der säkularisierten westlichen Gesellschaft, in der Religionen als Bereitsteller von Sinn und Antworten stark an Bedeutung verloren haben, werden persönliche Hobbies und Lifestyles zum sinn- und identitätsstiftenden Element verklärt. Was suchen denn Workaholics, Extremsportler, Fitnessfreaks, Öko-Asketen, Shoppingsüchtige, Feierwütige und politische Extremisten in ihren Obsessionen? So etwas wie einen Daseinszweck, oder zumindest eine Zerstreuung von dem, was sich im Inneren abspielt und unangenehm anfühlt. Aus dem Bedürfnis heraus, sich niemals den eigenen Abgründen stellen zu müssen, entstehen Neurosen, pervertierte Ideologien und emotionale Abhängigkeiten von Profanitäten wie Geld oder den „richtigen“ Lebensmitteln.

'Viele Dinge tun' wird gleichgesetzt mit 'ein erfülltes Leben führen'. Wer sich viel erarbeitet, viel konsumiert, viel reist, viel feiert, viel Sport macht, viele soziale Kontakte knüpft oder viel kreiert, weiß, wohin mit sich und wie er mit dem riesigen Berg Lebenszeit umgehen soll. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum ich mir im Vergleich zu Anderen so bräsig vorkomme: ich mache viel weniger. Ich habe an den genannten Aktivitäten nur mäßiges Interesse. Ich stecke nicht drin. Schaffe es nicht, in das Glücksprogramm einsteigen. Kann nicht einschätzen, in welchem Umfang diese Tatsache depressionsbedingt oder eher eine generelle Leidenschaftslosigkeit hinsichtlich gesellschaftlicher Beschäftigungsmaßnahmen ist.

Mir fällt leider auch nichts Anderes gegen die Stille im Kopf ein. Kann es also nicht besser machen. Laufe nur immer wieder mit Kawumms in die gleichen Sackgassen und beneide die Leute, die bis zum Ende im Kreisverkehr rennen.



Freitag, 25. März 2016

Gay Pranks - Ist das die heutige Jugendkultur?


Eigentlich habe ich keine Ahnung von diesem ganzen Scheiß. Ich meine, von diesen ganzen Youtube-Stars. Plötzlich waren die da. Irgendwelche Kiddies, die mit der Handykamera in ihren Kinderzimmern angefangen haben die Welt zu terrorisieren und die nun von einer Fanbase aus genauso pickligen Halbwüchsigen bis aufs Blut in Form von völlig unsachlichen Kommentaren verteidigt werden. 
Trotzdem treibe ich mich dann und wann in dieser Szene herum. Es gibt so zwei, drei Mittzwanziger, die ich ganz unterhaltsam finde und deren Ansichten ich halbwegs vertreten kann. Die sind dann auch noch nah genug an der Jugend, so dass ich aus dem Bereich was mitbekomme.
Dabei hat mich ein Youtube-Video besonders schockiert, welches auf diesen Kanälen kritisch kommentiert wurde. Der Gay-Prank vom Youtuber Mert Matan.
Für uns alte Säcke da draußen, die keine Ahnung haben was ein Prank ist – ja, Leude, ich wusste das nicht – ein Prank ist nichts anderes, als ein Streich. Als Kind der Achtziger kannte ich das lediglich als „Versteckte Kamera“ mit Frank Elstner und fand es schon damals voll öde.
Der Mert findet es super lustig seinen Vater zu verarschen, indem er sich vor ihm als schwul outet. Ich habe wirklich versucht mir das anzusehen, um mir selbst ein Bild zu machen. Aber ich glaube, mir wäre mein Frühstück hoch gekommen, wenn ich mir das wirklich bis zum Schluss angetan hätte.
Mir hat es gereicht mit anzusehen, wie sein Vater, der neben ihm auf dem Sofa sitzt, plötzlich aufspringt und anfängt auf ihn einzudreschen. Ich spürte Übelkeit in mir aufsteigen und ich weiß gar nicht, wen ich mehr verabscheue: Den Vater, der sich als intolerantes, rückständiges Arschloch ‚outet‘ – den Wortwitz bitte an dieser Stelle beachten – oder sein Sohn, der zusammengerollt auf dem Sofa liegt, um sich vor den Schlägen zu schützen und dabei lacht. 
Das Video hat 1 Million Klicks. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. 1 Million. Ein Video in Form eines bagatellisierenden Pranks, das in Wahrheit Intoleranz und Hass verbreitet, erntet so viel Aufmerksamkeit, wie es möglicherweise nur noch Katzenvideos schaffen. Wer ist dieser Typ überhaupt? 
Die Intelligenz des Erschaffers dieser menschenverachtenden ‚Unterhaltung‘, wird nur noch von der geistigen Minderbemittlung  seiner Zuschauer getoppt. Allen Ernstes verweisen nicht wenige Leser in den Kommentaren auf die Meinungsfreiheit des Einzelnen, die ihrer beschränkten Logik nach auch das Recht einräumen würde, Schwule als ekelhaft und unwürdig zu bezeichnen.
Aber rechtfertigt diese sogenannte Meinungsfreiheit auch Gewalt? Intertoleranz hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun, so sehr man sich und anderen das auch einreden möchte.


Im Grunde macht es nicht einmal besonders viel Mühe dies zu erkennen. Sicher kann ich niemandem verbieten zu denken, was er möchte. Ich bin auch gar nicht daran interessiert, jemanden in seiner Gedankenwelt zu beschränken. Sich ein Verbot im Denken aufzuerlegen, verhindert eine echte Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Und an dieser Stelle beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn ist nicht derjenige in seinem Denken beschränkt, der die Möglichkeit anderer Lebensweisen nicht akzeptieren und für sich zulassen kann? Wer die Tatsache homosexueller Liebe mit wütender Abscheu und aggressivem Gehabe von sich weist, hat sich doch keine wirkliche Meinung dazu gebildet. Eigentlich zeigt er lediglich, wie sehr ihn seine Angst betäubt. Harte, heterosexuelle Machos zeigen sich wie völlig überforderte Kinder, die geistig etwas nicht einordnen können und deshalb Rotz und Wasser heulen. Tut mir leid, aber das toleriere ich nicht.

by preussischer Widerstand


Freitag, 11. März 2016

Warum ist Indie-Rock noch nicht tot?



...Schließlich hatte Indie-Rock schon in den 2000ern nichts Neues, Interessantes mehr zu bieten. Stattdessen: altbackene Melodien, die sich der immer gleichen Schemata bedienen. Texte voller pseudoexistenzialistischer Nachdenklichkeit. Und Anbiederung an ein elitäres Publikum, das sich auf irgendeine Weise zu alternativ oder zu gebildet für „volksnähere“ Genres fühlt. Die einzige attraktive Eigenschaft von Indie, nämlich dass es independent war und innovatives Material hervorgebracht hat, ist weggefallen. Indie ist zu Mainstream verkommen; austauschbar und unoriginell.



Mit den 90ern ist auch gleichzeitig die Glanzzeit des Indie-Rocks zu Ende gegangen. Warum also wird dieser Schnarchkram immer und immer wieder auf neuen Platten lauwarm aufgebrüht? Was bezwecken die Künstler damit? Haben die jemals was von musikalischer Progredienz gehört? Ich kann nicht verstehen, warum junge Musiker das Bedürfnis haben, schon hunderte Male dagewesene Sounds auf biederste Weise zu reproduzieren. Mit den immer gleich klingenden Gitarrenklängen und in sich gekehrten Frontsängern fabriziert man nichts Relevantes oder Zeitloses mehr. Höchstens Lieder, die schon bei der Erscheinung oldiehaft anmuten.



Klassiker der Musikgeschichte abfeiern, bewundern, verehren? Sehr gerne! Aber bitte nicht das 827. Album seiner Art produzieren und es dann independent music nennen. Dann gründet doch lieber eine Coverband.



Donnerstag, 3. März 2016

Verlogene Internetdebatte Folge 1347

 
vie Blogrebellen.de

Politikerbashing geht immer. Als Lieblingsfeind des Deutschen kann dieser keine Verfehlung begehen, die nicht von einem empörten Wutbürgermob mit einer ganzen LKW-Ladung Dreck über sein Haupt belohnt würde. Der Politiker, der sonst für jene Meute als willkommener Sündenbock für jegliches Ungemach und persönliche Befindlichkeiten fungiert, wird beruflich und gesellschaftlich zerstört, sobald er selbst es wagt, einen Schritt vom rechten Wege abzukommen. 

Volker Becks Meth-Geschichte ist wieder mal ein sehr gutes Beispiel für diese in sozialen Netzwerken immer wieder perpetuum-mobile-artig hochschäumende Dynamik. Ja, Crystal Meth ist eine gefährliche Scheißdroge, ja, als Person im politischen Amt sollte man im besten Fall eine lupenreine Weste präsentieren. Doch der Anlass wird mal wieder dazu genutzt, sich belogen und betrogen zu fühlen, "von den feinen Herren da oben". Meine Güte, das weiß doch jeder, dass Politiker in den seltensten Fällen das Idealbild des selbstlosen, heiligen Volksvertreters erfüllen, warum gibt es denn dann immer wieder so ein Heulen und Zähne klappern, wenn eine längst vermutete und unterstellte Entgleisung in die Öffentlichkeit gerät?

Weil es so gut tut, sich künstlich zu echauffieren und gleichsam giftige wie verurteilende Botschaften auf dem FB-Profil desjenigen zu hinterlassen, der es gewagt hat, den deutschen Wähler und Steuerzahler mit seiner menschlichen Fehlbarkeit zu hintergehen.