Dienstag, 23. Februar 2016

„Tiere sind viel besser als Menschen! Sie haben mich noch nie enttäuscht!“


Solche Sachen sagen wohl sozial Beeinträchtigte, die sich nicht eingestehen wollen, sozial beeinträchtigt zu sein. „Menschen sind sooo scheiße, ich werde immer belogen und betrogen und verlassen und ich kann gar keinem mehr vertrauen“. Weinerlich die Opferhaltung einnehmen. Immer den Fehler bei den Anderen, im Außen suchen. Und nicht den Gedanken zulassen, dass es vielleicht an den eigenen verkorksten Beziehungsmustern und Erwartungshaltungen liegen könnte, warum man immer an Leute gerät, die einen enttäuschen.

Stellt euch mal vor, die ganze Menschheit wäre nicht von Grund auf verdorben und böse (obwohl das ein sehr verführerischer Gedanke ist), sondern ein komplexes Netz sozialer Interaktionen, in dem jedes Individuum eigenverantwortlich agiert und reagiert. Ein System, das man vielleicht als schlecht und ungerecht empfinden kann, dessen Teil man jedoch immer ist und welches man immer, immer, auch unfreiwillig mitbeeinflusst. Vor der regelmäßigen Konfrontation mit seinen eigenen Gefühlen, Beweggründen und Handlungsmustern, besonders den destruktiven und selbstschädigenden, sollte man deshalb keine Angst haben. Natürlich ist es einfacher, sich mit allem möglichen Kram abzulenken. Schwieriger ist es, sich selbst mit der eigenen Fehlerhaftigkeit und Ängsten auszuhalten.

Ich gehöre übrigens auch zu den sozial Beeinträchtigten. Und es wäre ein leichtes, den ganzen Wichsern, die mich über Jahre gemobbt und gepeinigt haben, die Alleinschuld für mein vermurkstes Dasein zu geben. Aber ich weiß, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als das Erlebte zu bearbeiten und verstehen zu lernen, warum ich so fühle und handle, wie ich es heute tue.

Und mal ehrlich, das kann einem kein Haustier, so niedlich und liebenswert es auch sein mag, der Welt abnehmen.


Samstag, 20. Februar 2016

Linker Nazi



Szene in der Düsseldorfer Straßenbahn:



Ein Pärchen steht im Gang. Er im schwarzen Ledermantel und Docmartens. Das lange schwarze Haar hängt lose über die Schultern. Die Haut ist blass von dunklen Kellern, in denen zu viel Metall-Musik gespielt, noch mehr WOW gezockt und Bier gesoffen wurde. Sein Mantel ist mit diversen Aufnähern verziert. Unter anderem durch die mit einer Sicherheitsnadel befestigte Applikation mit der Aufschrift „Gegen Nazis“, um die linksorientierte Gesinnung zum Ausdruck zu bringen.

Das Gespräch mit der Freundin ist angeregt, wenn nicht gar aufgeregt. Schließlich geht es um was. Man könnte sagen, um einen zwischenmenschlichen Konflikt mit der leichten Tendenz zum Rassismus. Was wollte auch dieser scheiß Kanake von ihm. Dieser dumme Türke. Das Arschloch konnte nicht mal richtig Deutsch.

Am liebsten wäre ich zu ihm gegangen und hätte ihm seinen Aufnäher abgerissen und dabei geschrien: „Du bist gerade degradiert worden. Abtreten und über die Scheiße nachdenken, die du gerade geredet hast.“ Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass Leute einem hin und wieder auf den Sack gehen. Aber sich über andere zu erheben, in dem sie auf ihren mangelnden Deutschkenntnissen herum hacken, ist ungefähr so armselig, wie sich zu freuen, dass die wacklige Oma nicht mehr so schnell rennen kann, wie man selbst. 

Mittwoch, 17. Februar 2016

Wissenschaft als Religion


Verbohrte, engstirnige Kleingeister gibt es nicht nur in Kreisen Strenggläubiger. Man bemerkt sie auch immer häufiger unter den Menschen, die wissenschaftlich arbeiten oder sich zumindest den Idealen der Wissenschaft verbunden fühlen.

Die Wissenschaft, eine der Hauptsäulen einer fortschrittsorientierten, zivilisierten Gesellschaft, wird in den heute geführten Diskursen nach meinem Empfinden vom genannten Personenkreis allzu oft zum einzig legitimen Maßstab und Gradmesser absoluter Wahrheit überhöht. Aspekten, die sich bis jetzt einer wissenschaftlichen Zurkenntnisnahme oder Erklärung entzogen haben, wird jedweder argumentativer Wert abgesprochen und eine der Kategorien „irrelevant“, „lächerlich“ oder gar „esoterisch“ zugewiesen. Wenn man Glück hat, gibt es noch einen „lustigen“ Aluhutträger-Reptiloiden-Chemtrail-Kommentar obendrauf.

Ich bin niemand, der etwas mit sogenannten Verschwörungstheorien zu tun hat oder sich blindlings auf irgendwelche aus der Luft gegriffene Gedankenkonstrukte einlässt. Ich erkenne die absolute Notwendigkeit wissenschaftlicher Forschung und ihrer Einbeziehung in gesellschaftliche Dialoge an. Gerade in so emotional aufgeladenen Grundsatz-Debatten wie die über Flüchtlingspolitik, sind zuverlässige Quellen die wichtigen Fixpunkte, die dem Cyber-Bürgerkrieg gerade noch einen gewissen Rahmen verleihen.

Jedoch finde ich die Penetranz und Überheblichkeit einiger sich selbst als rational und humanistisch einschätzende Diskutanten unerträglich. Jeder Kack-Thread wird zum staatstragenden Konflikt erhoben, in dem man erst mal zeigen muss, wie unglaublich geistig überlegen man dem anderen ist. Schnell wird klargestellt: „Du bist ja gar nicht auf meinem Niveau. Und überhaupt, (jetzt kommt der Lieblingssatz) KANNST DU MIR DAS MIT SERIÖSEN (!) QUELLEN BEWEISEN?“ Ich hab dir gar nichts zu beweisen, Arschloch. Ich stehe in keinerlei Bringschuld dir gegenüber, auch wenn du dich für einen universal gelehrten Pascha hältst, dem man auf Gnade hoffend einen Beleg auf dem Goldteller servieren solle. Weißt du was? Du bist genau so eine peinliche Wurst, wie die ganzen verstrahlten Impfgegner und Pegida-Sympathisanten ect., über die du dich so gern erhebst. 
 

Sonntag, 14. Februar 2016

Eine Welt ohne Bargeld




Freitag saß ich mit Freunden beim Essen. Wir diskutierten darüber, ob man Geld abschaffen und durch Kartenzahlung ersetzen sollte. Mein erster Impuls zu diesem Thema ist ein klares „Nein“. Einfach aus dem Bauch heraus, fühlt sich dieser Gedanke, in einer Welt ohne Bargeld zu leben, überhaupt nicht gut an. Ein alter Bekannter sah dies ganz anders. Er zählte die Vorteile auf und wie sehr dies unser Leben vereinfachen würde. Er kommt aus der Hauptstadt. Gerade für die Touristen würde dadurch vieles einfacher. Sie könnten ihr Bahnticket direkt am Automaten mit Karte zahlen und müssten nicht beim nächsten Späti Geld wechseln.

Aber wäre es wirklich besser Bargeld oder auch nur Kleingeld abzuschaffen? Mir ist da nicht wohl dabei. Was spricht überhaupt dagegen alles so zu lassen wie es ist? Wir leben seit tausenden von Jahren mit diesem System und wir schaffen das auch noch die nächsten tausend Jahre. 

In einer Welt ohne Bargeld haben wir keine Kontrolle mehr. Wir sind dem Staat und den Banken auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Im schlimmsten Fall könnten sie einfach darüber entscheiden, ob wir Geld bekommen oder nicht. Gerade die Banken hätten die Instrumente dazu, die sie in jedem Fall einsetzen würden. Zum Beispiel durch die Erhebung von Negativzinsen. Wie gemeine Taschendiebe könnten sie von unseren Konten immer ein bisschen was absaugen. Wir wären völlig machtlos. Schließlich wäre unser Geld nur noch eine virtuelle Größe.
       
Außerdem würde jeder unsere Einkäufe registrieren. Selbst die letzten unter uns, die bisher noch tapfer ihrer Privatsphäre verteidigt haben, wären dann gezwungen alles offen zu legen. Wir wären gläserner Bürger, die wie Marionetten von Unternehmen und Banken gelenkt werden. Dumme Konsumenten, die überhaupt keine Beziehung mehr zu Geld hätten. Wir könnten keinen Flohmarkt mehr veranstalten und keinem Bettler mehr einfach ein paar Münzen in die Hand drücken.

Ich persönlich zahle sehr viel in Bar. Dies ist so eine Angewohnheit von mir, die damit angefangen hat, da ich tatsächlich früher eine Karte hatte, mit der man nicht zahlen konnte. Dann war ich viele Jahre schlicht und ergreifend zu arm, um mir diesen unverschämten Luxus zu leisten, der Kassiererin meine Karte unbekümmert entgegen zu schmeißen. Ich hatte ein Tageslimit, das ich selten überschritten habe. War in meinem Portemonnaie Ebbe war eben Schluss mit Ausgeben.

Wie seht ihr das? Ist es in unserer globalisierten Welt einfach der nächste logische Schritt das Bargeld abzuschaffen, weil wir doch durch das Internet und unsere Handy eh nur noch den ganzen Tag im Netz abhängen? Oder wäre dies endgültig das Ende unserer Freiheit?

Donnerstag, 4. Februar 2016

Karneval war nicht immer schlimm, jetzt aber schon.


Karneval zu Kindertagen war großartig. Kinderkarneval war einfach der Shit. Man hat sich von seinen Eltern ein geiles Kostüm kaufen oder nähen lassen, man hat sich mit eigentümlich riechender Schminke das Gesicht zugekleistert, es gab überall (in der Schule, im Jugendheim, in der Tanzschule) Feiern mit Schokokuss-Ess-Wettbewerben, der Reise nach Jerusalem, Kostümwettbewerben, und Jungs mit nervigen Sprühluftschlangen, die mit ihrem Narrenzoll meinen Vater zur Weißglut trieben. Einfach die zweitbeste Sache im Jahr nach Weihnachten.

Der Fall zum Erwachsenenkarneval ist sehr tief. Ein krampfhafter Versuch, mithilfe der Kombination schlechte Tanzmusik + Alkohol die Wonne und Unbeschwertheit früherer Tage wiederherzustellen. Die Rekonstruktion eines Kindergeburtstages, nur das all' die wirklich lustigen Sachen fehlen, stattdessen gibt es unnötig sexualisierte Kostüme und Bierhelme, man ist ja schließlich erwachsen. 

Leute, deren Existenz man sonst gleichmütig bis skeptisch zur Kenntnis nimmt und in Situationen räumlicher und emotionaler Nähe gerade noch aushalten kann, werden zu Karneval unerträgliche Zeitgenossen. Ich weiß gar nicht, wen ich schlimmer finden soll: die Durchschnitts-Langweiler, die gesellschaftlich legitimierte "Feiertage" brauchen, um mal richtig über die Stränge zu schlagen; jugendliche, perfekt gestylte Party-Animals, die sowieso immer feiern (was auch immer sie andauernd zu feiern haben) und schon gegen 11 Uhr vormittags die Grenzen des guten Geschmacks und des Kotzens überschreiten oder die rheinischen Frohnaturen mittleren bis älteren Semesters, die sich identisch kostümiert in Horden bewegen und demonstrativ ihren "Spaß an der Freud'" zur Schau stellen müssen.

Mittlerweile glaube ich, man erkennt den Charakter eines Menschen nicht nur im Spiel sehr gut, sondern auch daran, wie er sich an Karneval verhält. Vielleicht lindert dieser Gedanke ein wenig meinen Abscheu gegenüber der Sache. Wenn alles eine große Beobachtungsstudie ist, dann hat man auch die nötige Distanz, um eine Truppe nach Billoschnaps stinkenden Clowns in der vollen Straßenbahn hinzunehmen.

via barfusslatscher.de