Donnerstag, 30. Juli 2015

Lebende Marionette des Jobcenters



Manchmal fühle ich mich wie auf einem Tennisplatz, wo ich mit bloßen Händen Bälle, die aus allen Richtungen auf mich zu fliegen abwehren muss. Das Leben unter der Fuchtel des Jobcenters ist zermürbend, anstrengend. Jobinterviews sind anstrengend. Abgelehnt werden ist anstrengend. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so fremdbestimmt gefühlt. Ich fühle, wie ich mich von mir selbst zunehmend entfremde.

Gestern erhielt ich einen Vermittlungsvorschlag mit Rechtsfolgebelehrung, wie es so schön kalt und nüchtern heißt. Verkäuferin am Flughafen, Schichtdienst von 5-21 Uhr. Übelkeit stieg in mir hoch. Alles sträubte sich in mir. NEIN! Aber fragt mich jemand, ob ich das möchte? Ob es meinen Bedürfnissen oder gar meinen Lebensumständen entspricht? NEIN! Warum auch? Wenn wir auf die Bedürfnisse von allen Rücksicht nehmen würden, wo kämen wir denn da hin? Einzelschicksal. Das muss ich doch einsehen.

Die Fallmanagerin, die mir das geschickt hat, hat mich noch nie gesehen. Braucht sie auch nicht. Der Job ist schließlich zumutbar. Das ist alles was zählt. Zähneknirschen. Ohnmacht. Wenn ich das in Frage stelle, kann man auch in Frage stellen, ob ich überhaupt arbeiten will. Ende der Diskussion. Schließlich möchte ich mich solch einem Verdacht doch nicht aussetzen, oder? ODER?!?

„Sehen Sie es doch als Chance, mehr Erfahrungen mit Bewerbungsgesprächen zu sammeln“, sagt meine Jobcoachin, die mich 3-mal die Woche auf Linie hält. „Sie werden besser mit jedem Gespräch!“ NEIN! Sie lügen. Es wird schlimmer. Die Wunden werden größer. Denn es sind keine freien Entscheidungen, die ich treffe. Diese „Herausforderungen“ habe ich mir nicht selbst gestellt. Sie werden mir aufgezwungen. Tag für Tag. Die Bälle fliegen wieder auf mich zu. Soll ich eine schlechte Bewerbung schreiben, mit vielen Fehlern und noch eine Gute für das Amt? Doppelleben. Wieder Entfremdung. Kräfte werden aufgebraucht.


Soll ich mich ganz verweigern? Ich fühle das Damoklesschwert über mir. Sanktionen. Strafen. Bestrafung eines Menschen, der nie was ungesetzliches oder böses getan hat.  30 % Kürzung des ohnehin mickrigen Geldes. Halte ich das aus? Sparsamkeit hab ich gelernt. Aber werden die Bedrohung und der Zwang dadurch vielleicht noch schlimmer? Ich sehe die Schlagzeile der Bild vor mir. „Hartz IV-Empfängerin verweigert Arbeit. Was stimmt mit ihr nicht? Steinigt sie.“

Freunde sagen: „Du bist doch kein Sklave. Kämpfe!“ Warum bin ich dann nur so müde. Ach ja, weil jemand bei mir immer wieder die Fäden zieht.

Freitag, 24. Juli 2015

Gewinnspiele und Erniedrigung


Facebook-Gewinnspiele finde ich noch grauenhafter als "normale" SMS- oder Postkarten-Gewinnspiele. Die, an denen man aus stumpfer Langeweile oder Begierde nach dem verlosten Objekt teilnimmt. Wahnsinn, den Begriff "Begierde" in diesem Kontext zu verwenden. Aber der ist wohl gar nicht so unangemessen, wenn man an die unersättliche Gier der Menschen nach Dingen denkt.

Warum sind Facebook-Gewinnspiele kacke? Weil man nicht mehr irgendeine Knobelei entknobeln, ein Lösungswort herausfinden oder eine richtige Zahlenkombination erraten muss, um in die Gewinnerauswahl zum kommen. Es reicht nicht mehr, sich auf sein Kreuzworträtsel-Allgemeinwissen oder einfach den Zufall zu verlassen. Nein, man muss betteln. 

Ich meine damit nicht die FB-Verlosungen, bei denen man einfach nur einen Like oder Share abgeben muss um teilzunehmen, sondern die, bei denen man in der Kommentarsektion erklären muss, warum man das Objekt haben will und warum man das Give-Away höchstpersönlich verdient. Schon nach wenigen, gelesenen Kommentaren zeichnet sich das traurige Bild konsumgeiler Menschen ab, die wortreich und mit höchster Verzückung den in Aussicht gestellten Gewinn und natürlich auch die Hersteller loben. Ein hundert-, manchmal auch tausendfacher Chor schreit: "BITTE, BITTE, BITTE, ich brauch das, gib mir das, ich spring voll an auf dieses Konsumprodukt, es sieht geil durchdesignt aus, so wie ich, also das passt total gut zusammen. BITTE! Ich sag dann auch das ihr die geilsten seid, auf meiner FB-Timeline, alle meine Freunde sehen das dann und das ist doch richtig gute Werbung für euch!
 
"Brauchen", der Ausdruck wird so überstrapaziert in dem Kontext. Und zwar oftmals von vollkommen übersättigten, alles habenden, zu Tode gelangweilten Menschen, die ein flüchtiges Hochgefühl aus dem Gewinn eines überflüssigen Produkts, dass sie meistens nur wollen und nicht brauchen, schöpfen möchten. Da bettelt man eben um die 500ste Handtasche, das dritte Auto, das stylische Reisekosmetikset, obwohl man nie verreist und sich nicht schminkt. 

Bezeichnend für diese Art von Online-Gewinnspielen ist zudem, dass fast nie ausschließlich praktische  Sachen, wie Klobürsten, Staubsaugerbeutel oder Druckerpapier ausgeschrieben werden. Es sind ja keine Lifestyle-Produkte. Sondern Lebensführungs-Produkte. Und für die muss man halt wie 'ne Omma einen Coupon aus der "Frau mit Herz" schneiden.
 

Sonntag, 19. Juli 2015

Arbeit ist nicht unser Leben - Alix Faßmann


Alix sitzt auf der Arbeit vor ihrem PC. Alles zieht sich. Irgendwie macht das so keinen Sinn. Plötzlich schleicht sich ein Gedanke ein. Irgendwie passt da was nicht. Muss das alles so? Ist das eine Phase oder vielleicht sogar ein generelles Problem?

Kurzerhand beschließt sie, ihren Job zu kündigen. Sie plündert ihre Lebensversicherung und kauft sich ein altes, klappriges Wohnmobil, um damit Hals über Kopf nach Italien runter zu düsen. Raus aus dem Hamsterrad. Raus aus den Klauen des Meisters, der sich Arbeit nennt.

by preussischer Widerstand
Alix Faßmann, ungefähr mein Alter, ist Journalistin von Beruf. Sie blickt auf einen Musterlebenslauf zurück. Musterabi, Musterstudium, Mustervolontariat. Eine leistungsbereite und ehrgeizige junge Frau. Brav. Dann der erste Job als Redakteurin bei einer Berliner Tageszeitung und schließlich gelingt ihr der Coup bei der „großen Volkspartei“, wie sie die SPD nennt. Noch ein wenig Durchhaltevermögen, ein paar Überstunden, der Kopf im Rektum des Chefs und die Karrieremaschine hätte sie vollkommen verschlissen. Stattdessen entscheidet sie sich für die totale Verweigerung, wenn sie in der Einleitung ihres Buches „Arbeit ist nicht unser Leben“ schreibt:

Ich wollte mir endlich einmal ganz genau die Widersprüche anschauen, die uns immer wieder in die Ecke treiben: Selbstverwirklichung und Selbstverwertung, Altersvorsorge und Nachwuchs, Rebellion und Gehorsam, Kreativität und Kontrolle. Und natürlich die vielbeschworene Krise, die uns weitermachen lässt, weil sonst alles den Bach runtergehen soll.“

Aus ihrer persönlichen Geschichte heraus beginnt sie grundsätzliche Fragen an das System von Arbeit, bzw. Arbeitslosigkeit zu stellen und zu diesem Thema zu recherchieren. Was bedeutet Arbeit in unserer Gesellschaft? Weshalb ist sie so ein zentrales Thema für die aller meisten von uns. Zunehmend zweifelt sie dieses von der vorherigen Generation gegebene Versprechen von Wohlstand und Sicherheit durch Arbeit an. Gilt das noch? Oder sollen wir nur glauben, dass es noch gilt, damit wir schön weiter kleine Rädchen bleiben?

Dieser Wandel von der vielversprechenden Karrieristin hin zur größten Kritikerin an Karriere und Arbeit macht in meinen Augen die Authentizität dieses Buches aus. Da spricht keine Systemverliererin, die einfach ein bisschen über die Ungerechtigkeiten stammtischmäßig meckern möchte. Außerdem lässt sie die Geschichten und Erfahrungen anderer Menschen miteinfließen und zeichnet so einen Querschnitt unserer Generation und deren aktueller Probleme nach.

Zwar steht im Titel „Anleitung zur Karriereverweigerung“. Wer hier allerdings einen Lebensratgeber a la „So kommst du aus deiner langweiligen und nervtötenden Arbeit raus“ erwartet, sollte lieber die Finger von diesem Buch lassen. Das ist kein weiteres von diesen Berufscoaching-Büchern, die dich zum erfüllenden Traumjob bringen sollen. Und ich muss sagen: Gott sei Dank.
by preussischer Widerstand

Dies ist ein politisches Buch mit einer radikalen Kampfansage an den gegenwärtigen Turbokapitalismus. So versucht Alix Faßmann ihre Verweigerung auch konsequent zu Ende zu denken und entscheidet sich nicht für eine verträumte Weltflucht. Die Lösung des Problems sieht sie nicht in der Gründung einer alternativen Kommune oder einer Partei. Stattdessen wird sie sehr aktiv und erschafft in Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten im Internet das Haus Bartleby – Zentrum für Karriereverweigerung. Obwohl ich diesen Ort grundsätzlich gut und wichtig finde, ist die Gestaltung der Page ein wenig unübersichtlich und schwer zu handeln. Ich fürchte, dass die Jungs und Mädels daran noch ein wenig feilen müssen. Aber nichts desto trotz möchte ich unbedingt die Reiter „Kinemathek“ (Werkreihe) und „Kapitalismustribunal“ empfehlen. Sehr informativ.

Alix Faßmann, Arbeit ist nicht unser Leben, Lübbe Verlag, ISBN 978-3-7857-6104-5

Freitag, 17. Juli 2015

80 Millionen Griechenland-"Experten"


Wenn mir eins in letzter Zeit so richtig auf die Nerven geht, dann sind das Leute, die zu jedem Anlass, so unpassend er auch sein mag, ihre Haltung zur Griechenland-Geschichte herausposaunen müssen. Ganz reflektierte und fundierte Expertenmeinungen sind das, und so unglaublich relevant, dass jeder davon Kenntnis nehmen muss, freiwillig oder unfreiwillig.


Es geht auch nicht, keine Meinung zu haben. Man MUSS sich positionieren, egal wie wenig man sich mit dem Thema auseinandergesetzt hat, wie dürftig die Politik- und Wirtschaftskenntnisse sind, wie einseitig die Informationen sind , die man über Bekannte und Zeitungsapps erhalten hat. Ist man linkspolitisch, hat man die griechische Regierung zu unterstützen. Steht man eher rechts, hat man die deutsche Regierung zu unterstützen. So einfach ist das. 
Die Meinung an sich reicht aber nicht, man wird dauernd dazu ermutigt, ja fast genötigt, Farbe zu bekennen, in Alltagsgesprächen, beim Friseur, in der FB-Diskussion, über FB-Shares, im Teletextvoting, beim BILD-Referendum. Es reicht schon, D-Promi zu sein, damit ein Griechenland-Zitat von dir abgedruckt wird. Immer hübsch von der Meinungs- und Redefreiheit Gebrauch machen, auch wenn dabei die überflüssigste, verbale Diarrhoe herausgepurzelt kommt, die man sich vorstellen kann. Die natürlich unglaublich viel Einfluss auf die konkreten Entscheidungen der Bundesregierung hat.

Und das Schlimme ist, es findet sich so gut wie immer ein Publikum. Entweder Leute, die die gleiche Position vertreten und sich dann auf dein Statement einen 'runterholen oder eben die Gegenposition, die Zeter und Mordio schreiend auf dich drauf springt.


Ihr werdet zumindest von mir nie wieder was über Griechenland lesen, erst rechts nichts über die Krise an sich, und es wird von meiner Seite aus nie eine „hochbrisante“ Diskussion über das Thema stattfinden. Ich bin froh, wenn ich das Wort „Griechenland-Krise“ nicht mehr tippen muss. Noch schöner wäre es, wenn ich es auch nich mehr (so häufig) lesen müsste.

Mittwoch, 15. Juli 2015

#flirtennachbravo



Man kann ja zum Feminismus stehen wie man will, aber ich finde, dass man nicht bestreiten kann, dass wir den Zustand der Glückseligkeit noch lange nicht erreicht haben. Sonst wäre es nicht immer wieder Thema. Nun sind die 100 Flirt-Tipps für Mädchen von 10 - 17 Jahren, die die Zeitschrift Bravo vor gut einem Monat veröffentlicht hat, Gegenstand der Diskussion.
Keine Ahnung, ob das schon wieder ein alter Hut in der Netzwelt ist und ich die Tausendste bin, die das jetzt auch noch durchkaut, trotzdem hat es mich (mal wieder) erheblich ins Grübeln darüber gebracht, wie weit es mit der Gleichberechtigung wirklich her ist.

Regel 20
Der Klassiker: Stolpere in Deinen Schwarm hinein. Entschuldige Dich überschwänglich bei ihm. Er wird Dich total niedlich finden, weil Du ein kleiner Tollpatsch bist. 

Die Quintessenz dieser Regeln lässt sich wie folgt herunter brechen: Du bist auf gar keinen Fall ok, so wie du bist, aber sei dabei natürlich und authentisch. Alles klar? Nun kann man einwenden, dass die Bravo doch eh keiner liest und wenigstens erwachsene Frauen reif genug sind, um dem ironisch gegenüber zu stehen. Doch erstens lesen dies Mädchen, die einmal die Frauen von morgen sein werden und zweitens werde ich irgendwie dieses Gefühl nicht los, dass dieser Appell sich anzupassen, sich auch durch andere Bereiche meines Lebens zieht. Ach ja, als Bewerber bei Firmen.

Regel 39
Nur laute Girls fallen auf? Stimmt nicht. Wer sich ruhig verhält, wirkt geheimnisvoller und damit interessanter auf Jungs.

Wobei ich mich tatsächlich frage: Entwickeln wir uns zurück oder sind diese Dinge nie wirklich weg gewesen und ich hab‘s nur lange gar nicht geschnallt, weil ich echt geglaubt habe, dass wir uns als Gesellschaft zu mehr Gleichberechtigung hin entwickeln.
Der besagte Appell zielt darauf ab, sexy, aber nicht zu sexy, süß, niedlich, ein wenig tollpatschig, geheimnisvoll und auf gar keinen Fall zu laut zu sein. Das Ziel ist Aufmerksamkeit. Das eigene Verhalten bewegt sich dabei in einer sich vollkommen widersprechenden Bandbreite, dass niemals, aber auch niemals die eigene Persönlichkeit widerspiegeln oder auch nur streifen darf. Das mögen Jungs nicht. Am besten man, bzw. girl beschränkt sich sowieso vollkommen darauf seine Aufmerksamkeit über das eigene Aussehen zu erzeugen.

Regel 57
Imitiere seinen Style! Dein Schwarm trägt am liebsten Grün? Zieh dir auch grüne Sachen an. Die stechen ihm viel mehr ins Auge als andersfarbige Teile.

Weshalb ist Aufmerksamkeit wichtig? Merke: Damit du nicht unsichtbar wirst.  Dies steht tatsächlich in einer der Regeln und bedeutet meiner Meinung nach nichts anderes als: „Pass auf, dass du keine alte Jungfer wirst, die keiner will.“ Die gelten nämlich als komisch und verschroben. Und schwubs sitzen alle Mädchen und Frauen mal wieder in der alten Falle, dass sie nur was wert sind, wenn sie von anderen gesehen werden.
Und wer jetzt immer noch glaubt, dass dies nur so in der Bravo steht und auch gar nicht weiter von Interesse ist, der sollte sich mal Frauenmagazine oder meinetwegen auch Herrenmagazine mit einem kritischen Auge zu Gemüte führen. Im Grunde steht dort genau dasselbe drin, nur vielleicht nicht so plakativ und überzogen. Und wer noch einen Bewerbungsratgeber zuhause hat – dieser tut es ganz genauso gut. Nur, dass sich da kein Geschlecht im Speziellen diskriminiert fühlen muss, weil nämlich beide klein gehalten werden.

Jetzt mal ein paar Regeln von mir:

Regel 1
Hört auf Menschen in Schubladen zu stecken. Das blockiert und hält einen davon ab, zu sehen, was wirklich ist.

Regel 2
Hört auf zu glauben, dass ihr genau wisst, wie alle Frauen und alle Männer auf dieser Welt sind, was sie denken, wie sie ticken.

Regel 3
Behandelt euch gegenseitig so, wie ihr auch behandelt werden wollt.

Montag, 13. Juli 2015

It's Festivaltime! Kauft Klamotten, Leute!

via Pinterest
Wer schon mal ein Festival besucht hat, weiß, was das für eine tolle Atmosphäre verströmt. Mit tausenden von Leuten campt man auf irgendeiner Wiese. Man selbst hat nur das nötigste dabei. Gummistiefel, Dosenravioli, Bier und Kekse. Vom Veranstalter wurden notdürftig ein paar Toiletten und Waschgelegenheiten aufgestellt. Aber mehr ist auch gar nicht notwendig. Denn an diesen Tagen trägt einen die Musik. In dieser Form der Einfachheit liegt der fabelhafte Moment. Auf dem Festivalgelände stehen, mit einem giftgrünen Slushi in der Hand und dem Sonnenuntergang entgegen sehen, während im Hintergrund die Lieblingsband spielt – gibt es etwas schöneres? Man kommt mit Leuten in Kontakt, hat Spaß und regt sich zuweilen über die völlig überteuerten Pommes auf. 

Leider fehlte mir die letzten Jahre einfach das Geld, um ein Festival zu besuchen. Anfahrt und Tickets sind ja oft doch nicht so ohne. Also träume ich von besseren Zeiten und schaue mir einfach Festivalbilder an. Was mich dabei in letzter Zeit zunehmend nervt, ist die totale Kommerzialisierung dieser ganzen Geschichte. Seit Models und Stars sich Festivals zu Eigen gemacht haben, ist es nicht mehr eine Veranstaltung für jedermann, sondern nur noch für die hippen It-girls/ boys. Plötzlich ist es wichtig geworden, was man bzw. frau auf solchen Festivitäten trägt. Man kann da nicht mehr einfach so in matschverschmierten Jeans und T-shirt herumlaufen. Nein, man muss sich Gedanken machen, welches Outfit man an welchem Tag tragen will. Bei Zalando, Asos und sogar bei Bonprix gibt es einen Festival-Outfit-guide, der dir vorschlägt, welche super knappe Spitzenshorts zu welcher 70s Fransenweste passt. Schließlich wollen wir alle das Flair von Woodstock nachspielen. Da darf dann auch ein Blumenkranz aus Polyester im (natürlich langem) Haar und die John-Lennon-Gedächtnis-Sonnenbrille nicht fehlen. Duckface und Victoryfinger und fertig ist das Selfie, dass dir auf Instagram ein Leben bescheinigt. 

Streng genommen habe ich kein Problem mit Leuten, die sich zu solchen Gelegenheiten verrückt anziehen. Dann habe ich wenigstens was zu gucken und vielleicht was zu tratschen. So what. Was mich allerdings stört, ist, dass alles, aber auch wirklich alles sofort von Unternehmen und Firmen aufgegriffen und auf seinen Vermarktungswert abgeklopft wird. Das ist der Tod jeder Jugendkultur oder überhaupt irgendeiner Kultur. Der Spirit, die Bewegung, der Geist wird solange heraus vergewaltigt, bis am Ende nur noch der Konsum übrig bleibt, bzw. irgendeine Tussi, die in Woodstockgedächtnisklamotten sich einen Joint durchzieht und sich mächtig verwegen vorkommt. Whoo hoo, ich bin schockiert.