Montag, 11. Mai 2015

Generation Y



Die ominöse Generation Y. Viel zitiert, viel kritisiert, oft gefeiert. Welche Altersgruppe sie genau abdeckt, wird in den Quellen unterschiedlich angegeben. Manchmal gehöre ich mit meinen knapp über 30 noch dazu, manchmal werden nur die aktuellen Twentysomething dazu gezählt. In einem Wikieintrag ist die Rede davon, dass es sich dabei um die Personen handelt, die zwischen 1990 und 2010 Teenager gewesen sind. Dort werden sie auch als Millennials, also als Jahrtausender bezeichnet, die Zeit, zu der ich ungefähr mein Abitur abgelegt habe.
via Pinterest
Um es mal vorweg zu nehmen: Diese Schubladen, in die man ganze Generationen reinstopft, mit dem Stempel versehen: „Puh, jetzt hat das Kind einen Namen“, halte ich für absoluten Schwachsinn. Ich glaube nicht, dass man eine ganze Generation über einen Kamm scheren kann. Sicher gibt es Tendenzen, aber da erschöpft es sich auch schon. Was ich allerdings schon beobachten kann, sind reale gesellschaftliche Entwicklungen, die eine junge Generation beeinflussen.
Nun habe ich nicht ellenlange Fachliteratur zum Thema Generationen Y gelesen. Meine Kenntnisse beschränken sich auf ein paar Artikel aus der Zeit und dem Spiegel. Doch diese haben gereicht, um mich völlig irritiert zurück zu lassen. Oft konnte ich da nur denken: „Wow! Solch einer super selbstbewussten, total selbstkritischen, unerhört leistungsfähigen und unfassbar flexiblen  Generation, die sich die Jobs aufgrund des Fachkräftemangels quasi aussuchen kann, gehöre ich also an?!“ Unsere Generation strebt Work-Life-Balance und Selbstverwirklichung an. Selbstoptimierung ist wie eine zweite Haut für uns. Uns sind feste Arbeitsverhältnisse nicht mehr so wichtig, dafür aber umso mehr das Feedback des Chefs, natürlich auf Augenhöhe. Ständig sind wir kompromisslos auf der Suche nach dem großartigen, sinnstiftenden Job und gleiten so mühelos direkt nach dem Studium in eine Führungsposition. Nur seltsam, dass dieses heroische Bild, welches da gezeichnet wird, absolut und auch rein gar nichts mit meiner Lebenswirklichkeit zu tun hat.
Meine Realität sieht nämlich so aus, dass ich in einer Maßnahme vom Arbeitsamt zwischen Architekten und Psychologen, Lehrern und Sozialpädagogen sitze und wir dürfen uns u.a. einen ganzen Tag lang etwas über die richtige Ernährung und das richtige Maß an Bewegung anhören. So als Hartzer hängt man ja schließlich nur den ganzen Tag auf der Couch rum und glotzt RTL, während man sich den Schritt krault.
Für die meisten in meinem Umfeld gestaltet sich der Berufseinstieg ziemlich schwierig und wenn sie es denn schaffen, schleppen sie sich von einer Befristung in die nächste. Die Familiengründung muss da natürlich hinten angestellt werden. Ohne halbwegs vernünftige Planungssicherheit sind Kinder schon ein Schritt, den man sich überlegen sollte.
Aber wenn sich Paare trauen ein Kind zu bekommen, ist zumeist die Mutter gezwungen daheim zu bleiben. Es ist schon Pech, wenn die dritte Befristung ausläuft und sie damit direkt in die Arbeitslosigkeit katapultiert wird. Doch die Uhr tickt, das Leben wartet nicht. Einen neuen Job zu finden wird dann oft schwerer, weil es wiederum an Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder fehlt. Aber selbst wenn diese gegeben sind, ist so mancher Chef trotzdem noch nicht ganz überzeugt. Schließlich warten 200 andere Bewerber, ohne Kinder, mit mehr Berufserfahrung und einem besseren Abschluss in Arschkriecherei.
Der oft eingetrichterte Glaubenssatz man müsse nur hart genug arbeiten, dann könne man zu Wohlstand gelangen, ist doch schon lange eine Illusion. Auch Selbstverwirklichung hat bei vielen längst nicht mehr die höchste Priorität. Reduziert auf eine betriebswirtschaftliche Kennziffer geht es eher darum, von der Arbeit überhaupt leben zu können. Auch wenn es ein bisschen emotional klingt, kommt es mir oft so vor, als ob die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden.
In diesem Zusammenhang höre ich oft den Vorwurf der Alten, wir würden nicht mehr genug auf die Straße gehen, nicht mehr rebellieren und demonstrieren. Schnell wird das romantische Bild von irgendwelchen beziehungsunfähigen 68ern ausgegraben. Dabei hängen die längst fett und satt in irgendwelchen Chefsesseln. Der Geist der 68er ist tot. Wir haben heute andere Probleme, für die wir andere Lösungen brauchen.
Der Unmut wächst. Wenn man nicht völlig blind ist, kann man das durchaus beobachten. Ich möchte nur an Occupy Wall Street, We are the 99% oder Blockupy erinnern. Mir kam das schon wie Protest vor. Ebenso möchte ich an dieser Stelle auf das Haus Bartleby hinweisen, dass ihr auch links in unserem Blogroll findet. Zusammen mit dem Club of Rome haben sie das Kapitalismustribunal eingerichtet, indem es jedem frei steht eine (reale) Klage einzureichen, die vor dem Wiener Gerichtshof im November verhandelt werden soll. Näheres findet ihr hier. Ob es etwas bewegen wird, bleibt abzuwarten. All dies sind Prozesse, die nicht von heut auf morgen greifen. 

Gute Nacht.

1 Kommentar:

  1. "Schließlich warten 200 andere Bewerber, ohne Kinder, mit mehr Berufserfahrung und einem besseren Abschluss in Arschkriecherei."

    Genau so ist es. Wir können heutzutage froh sein, überhaupt irgendeine Lohnarbeit zu bekommen. Deshalb ist die Frage an Kinder: "Was willst Du später einmal werden?" mittlerweile völlig realitätsfremd. Er/sie kann später froh sein, überhaupt irgendetwas zu bekommen. Denn die Arbeitsplätze werden immer weniger und nicht mehr: Automatisierungsprozesse, Roboter/Maschinen statt Menschen, Kürzungswut etc.

    Der Sog. "Fachkräftemangel" ist letztlich auch eine Riesenlüge, um die Reservearmee stets groß genug zu halten. Denn nur so kann man schön die Löhne drücken. Wo kämen wir denn hin, wenn es einen echten Mangel an spezifischen Arbeitskräften wirklich geben würde und der "Arbeitgeber" auf seine wenigen Bewerber angewiesen wäre? Der könnte ja Urlaubsgeld verlangen bzw. einen unbefristeten Arbeitsvertrag? Oder noch dreister: einen existenzsichernden Lohn.

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