Samstag, 17. Januar 2015

Eine frühzeitig Gealterte redet über Primark

Ich mag keine Jugendliche. Ich mochte schon keine Jugendliche, als ich selber noch einer war. Solche Phänomene wie Primark (der relativ neue Star am deutschen Fashionpimm...-himmel, herrgottnochmal!) präsentiert ziemlich beispielhaft und deshalb für mich persönlich befriedigend, dass diese idiosynkratische Abneigung nicht unbegründet, sondern logisch nachvollziehbar und vielleicht sogar angebracht ist (ganz sicher ist sie das).
Primark ist für mich das Symbol für den interesselosen und deshalb shoppingbegeisterten, leicht zu steuerbaren, oberflächlichen, anpassungsbereiten Teenager. Natürlich sind auch Erwachsene dort Kunden, doch es drängt sich der Eindruck auf, dass sich diese bei Betreten in ihr überdrehtes, vierzehnjähriges Selbst zurückverwandeln, so, als träten sie nicht durch eine einfache Glastür, sondern durch die Zaubertür aus der Mini-Playback-Show. Da wird sich in hektischen Aufdiefüßetretwegstoß-Bewegungen, oftmals mit dümmlicher und leicht ekstatischer Gier in den Augen, der Weg zu den supertrendigen Kleinodien, die zu hunderten und tausenden feil geboten werden, gebahnt.
Hauptsache viel, mehr, am vielsten. Magere Dreizehnjährige sowie Frauen (und natürlich auch ein paar Männer) jeder Couleur und jedes Alters schaufeln sich mit für diesen Zweck extra ausgefahrenen Transformer-Armen die Ware in halbdurchsichtige Stoffcontainer, in denen man sonst allerhöchstens verpupste Kuscheltiere oder dreckige Wäsche bunkern würde. Dreiviertel der Oberteile liegen schon seit spätestens 12.30 auf dem Boden; da hocken auch die Halbkinder und Halberwachsenen und sortieren nun in Allerseelenruhe (die Erregtheit ist abgeschlafft, die Beute ist erlegt) in "kaufe ich auf jeden Fall", "wenn Mama das bezahlt" und "lasse ich hier, vielleicht beim nächsten Mal".
War es jahrzehntelang eine taktisch fingierte Rebellion der Jugend, auf Manieren zu verzichten und sich, wann immer es nur geht, daneben zu benehmen, kommt es heute einigen Leuten gar nicht in den Sinn, dass es möglicherweise unhöflich und unangebracht sein könnte, sich mit seinem Hab und Gut inmitten eines Ganges in einem viel besuchten Ladengeschäft auf den Boden plumsen zu lassen.
Wie jeder Misantroph, der was auf sich hält, weiß ich, dass Menschengruppen immer exorbitant schlimmer sind als einzelne Menschen. Und das gilt besonders bei Jugendlichen. Erst in einer (Shopping-)Gruppe von mindestens 3-4 Personen kann sich die Blüte ihrer Albernheit, Banalität, Dümmlichkeit und manchmal Grobheit voll entfalten und zwar so aufdringlich und selbstverständlich, dass Ignoranz von meiner Seite aus kaum möglich ist. Während ich das schreibe, fühle ich mich wie eine Oma. Vorzeitig gealtert. Egal.
Diesen Samstag fahre ich mit der Straßenbahn an der örtlichen Filiale vorbei und starre gleichsam neugierig und voller Abscheu durch die Scheiben (Bahn und Schaufenster). Direkt nebenan ist ein  Tschibo, der, wie es das Klischee will, voll ist mit abgekämpft guckenden Männern von Frauen. Ich denke liebevoll an ihren geistigen Schutzpatron, Helge Schneider, der damals bis zu 15 Tassen günstigen "Probekaffee" beim Eduscho trank und dort einen ganzen, wunderbaren Vormittag verbrachte. Starke Gefühle der Sympathie überwältigen mich.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen