Was bleibt, wenn man keines der Ziele, Pläne, Vorgehensweisen, die üblicherweise in unserer Gesellschaft als erstrebenswert gelten, für sich vollwertig annehmen kann? Fragt man Leute nach dem Sinn ihres Lebens, kommen häufig klar definierte Ziele und abgesteckte Bereiche: Karriere, einen erfüllenden Arbeitsplatz (was auch immer das konkret heißen mag), Partnerschaft, eigene Familie, manchmal auch Besitz, den man anhäufen und später an die nachfolgenden Generationen, die ja sowieso immer ganz, ganz wichtig sind, weitervererben kann. Altruistische Motive scheinen auch beliebt zu sein und die gehören zu den sehr wenigen, die ich als wirklichen Sinn für das Leben anerkennen könnte. Wenn es mich nicht so befremden würde, dass altruistische Taten ihrer Natur entgegengesetzt fast ausschließlich dazu dienen, sich selbst etwas Gutes zu tun (wie z.B. durch Gewissensberuhigung), wogegen ja eigentlich überhaupt nichts spricht, aber im Zusammenhang mit Altruismus fehl am Platz ist, wie ich finde.
Also, wenn einem das Prinzip "Karriere" zuwider ist und man die Arbeit an sich nicht in den Lebensmittelpunkt stellt, tut sich erstmal eine gähnende Leere auf, die einen im schlechtesten Fall erschreckt oder überfordert. Diesen potenziellen Schrecken vor der "leeren" Zeit erkenne ich beispielsweise daran, dass man im herbeigesehnten Urlaub oft keine Muße walten lässt, sondern ein ausgefülltes Aktivitätenmodell aufstellt, weil die Angst vor ungeplanten Zeitspannen riesig ist. Da ist plötzlich ganz viel Platz und Energie für neue Sachen und andere Beschäftigungen, wenn man die Leere zulässt. Auch wenn ich vor einigen Jahren damit angefangen habe, mich von dem Gedanken des "Lebenssinns Arbeit" zu verabschieden, fällt es mir manchmal immer noch schwer, alternative Richtungen und Aufgaben zu finden, die mit wirklicher Erfüllung zu tun haben und nicht einfach nur nette "Beschäftigungen" sind. "Ja, dann geh doch lieber arbeiten, du weißt eh nicht, was du stattdessen willst", denken vielleicht einige. Und ich würde sagen: Nein. Hat man einmal eine persönliche Wahrheit für sich erkannt, vielleicht nach vielen Jahren der Verdrängung und Ablenkung, kann man diese nicht mehr beiseiteschieben und so tun, als sei sie nicht da. Das wäre, pathetisch ausgedrückt, Selbstverrat.
Was ist mit Partnerschaft, Familie? Ich möchte keine Kinder. Das Weiterbestehen der (deutschen) Menschheit ist nicht unbedingt eine besondere Herzensangelegenheit von mir. Den Mythos "Partnerschaft als alleiniges Lebensglück" sehe ich ganz nüchtern als "Ich mache mein Lebensglück von einer anderen Person abhängig". Gelungene, intensive, liebevolle Beziehungen sind sicherlich sehr schön und können einem tolle Jahre bereiten. Aber kann mein Sinn wirklich in jemand Anderem verankert sein? Und ab der Trennung ist das Leben dann wieder sinnlos?
Ich stelle die hehre Behauptung auf, dass das Leben immer von dem Grundton Sinnlosigkeit geprägt ist. Und das dieser Grundton übertönt wird von gesellschaftlich propagierten Sinnkonstrukten wie Arbeit, Partnerschaft und Kindern. Diese bilden natürlich die Grundlage des menschlichen Zusammenlebens. Aber sind sie deshalb zwangsweise sinnstiftend?
Am Ende bleibt (mir) wohl nur der im besten Sinne hedonistische Ansatz, in meiner Lebenszeit irgendwie glücklich und zufrieden zu werden. Wie das geht? Weiß ich nicht.
Mittwoch, 28. Januar 2015
Mittwoch, 21. Januar 2015
3 Fashionblogger an der Nähmaschine in Kambodscha
Frauen und Mädchen, die einen Blog betreiben, um ihre Shoppingausbeute und die Schätze ihrer Garderobe mit der Welt zu teilen, gibt es ja zu Hauf. Das Spektrum reicht dabei von jungen Mädchen, welches hobbymäßig ein paar Fotos auf dem Spielplatz in der Platte macht, bis zur Frau, die ihren Lebensunterhalt davon bestreitet und dafür sogar um die Welt reist.
Ich möchte an dieser Stelle gar nicht
darüber urteilen, ob und welchen Wert solche Blogs haben. Wenn jemand Freude
daran hat, sich auf diese Weise kreativ zu betätigen, finde ich das in Ordnung.
Hauptsache die Leute sind von der Straße weg. ;)
Dennoch steht es für mich außer Frage,
dass es auch mehr als genug Fashionblogs gibt, deren einziger Zweck darin
besteht völlig wahllosen, unmäßigen Konsum zu postulieren. In schier
unersättlicher Fülle wird jeden Tag ein neues Outfit angeboten, um den Leser
bei der Stange zu halten. Oft frage ich mich dann, weshalb das so sein muss. Möchte
man zeigen, dass man es sich leisten kann? Oder will man die Leserin vor den
Bildschirmen neidisch machen? Soll der eigene Mangel, den man empfindet,
gestopft werden, indem man einen Mangel bei anderen auslöst? Ich würde sagen:
Solche schnell gestrickten Maschen lösen sich schnell wieder auf. Niemandem ist
damit geholfen.
Die Maschinerie der Mode funktioniert ja
von je her nach dem Prinzip „Esel und Karotte“. Man kauft sich Klamotten, um
was dazustellen, sich besser zu fühlen, endlich das perfekte Outfit gefunden zu
haben und dann kommt die neue Kollektion. Es wird NIEMALS enden. Das kann ich
absolut versprechen. Einigen kann man da nur eine strenge Diät empfehlen.
Wobei es auch nicht um völligen Verzicht
oder Schuldgefühle geht. Dennoch sollte man sich manchmal fragen, wenn man
jeden Samstag mit fünf prall gefüllten Tüten aus Primark herausspaziert, wo der
Nutzen solch einer Aktion liegt. Will man wahllos seine Gier befriedigen? Oder mit
seinen Freundinnen mithalten?
Viele möchten es nicht wahrhaben. Aber
die persönliche Entgleisung jeglichen Maßes an einem sonnigen Samstagvormittag
nach ein paar Java Chip Frappucinos bei Starbucks hat Schattenseiten, die man
seinem schlimmsten Feind nicht wünscht. Oder wie kann man T-shirts für 3 Euro
herstellen?
Vielleicht sollte man sich nach dem
30zigsten T-shirt, was man nach einmaligem Tragen nach einer Party einfach
wegschmeißt, folgende Fragen stellen: „Welcher Mensch hat die Nähte an diesem Stoff genäht? Wie sieht er
oder sie aus? Tat ihm der Rücken weh, weil er schon seit 12 Stunden an der Nähmaschine saß, als er gerade mein T-shirt genäht hat? Hatte er die letzten 14 Jahre mal einen Tag frei, geschweige denn
Urlaub? Kann er seine Familie von dem Gehalt, das man ihm zahlt, ernähren? Kann
er sich selbst ernähren? Kann er sich krank melden, wenn er schwer krank ist,
ohne dass er einen Lohnausfall zu fürchten hat?“ Und dann sollte man sich vorstellen, wie man selbst dieser Mensch ist.
Ich möchte folgendes Video empfehlen,
was ich vor ein paar Tagen im Netz entdeckt habe. 3 Fashionblogger aus Norwegen
wagen eine Reise nach Kambodscha. In das Land, dass all ihre Kleidung
herstellt, die sie auf ihren Blogs präsentieren. Sie sitzen selbst für einen
Tag an den Nähmaschinen und versuchen sich von dem Gehalt einer Näherin zu
ernähren.
Wenn ihr den Youtube-trailer hier anklickt, findet ihr
darunter einen Link, wo ihr euch die 5 Teile dieser Serie, mit Englischem Untertitel ansehen könnt. Ich finde diese
Reihe unbedingt empfehlenswert.
Dienstag, 20. Januar 2015
Was man alles ohne Smartphone und sonstige elektronische Gerätschaften im Bus tun kann
-Leute beobachten
-nachdenken
-aus dem Fenster schauen
-Schundmagazine lesen
-gute und schlechte Bücher lesen
-einen Ohrwurm haben
-das Gespräch der Sitznachbarn belauschen
-ein Gespräch mit den Sitznachbarn führen (wenn fremd: nix für sozial Ängstliche)
-Hausaufgaben/ Notizen machen
-an den Nägeln rumknibbeln
-einen unterdrückten Wutanfall wegen lauten Telefonierern/ lauten Kindern/ stinkenden Hunden/ nach Parfum stinkenden Omas bekommen
-rätseln
-Handarbeit (beide Lesarten möglich)
-eine imaginäre Diskussion führen
-an den Stangen herumturnen
-das Spiel "Fahre Bus, ohne dich festzuhalten" perfektionieren
-dem Busfahrer die Emotionen vom Gesicht ablesen
-sich an unsittlichen Stellen kratzen (unauffällig, es wird jedoch über die Fensterspiegelung gesehen)
-alle Haltestellen in der richtigen Reihenfolge auswendiglernen
-den mitgebrachten Proviant verspeisen
-einen illegalen, politisch explosiven Edding-Eintrag ("No Nazis!" oder "ACAB") auf dem Sitz verewigen
-nervigen Verkehrsteilnehmern oder Mitfahrern hinter vorgehaltener Hand den Stinkefinger zeigen
-sich einem Tagtraum hingeben
-den Thrill des Schwarzfahrens erleben (hinten einsteigen!)
-schlafen
etc.etc.
-nachdenken
-aus dem Fenster schauen
-Schundmagazine lesen
-gute und schlechte Bücher lesen
-einen Ohrwurm haben
-das Gespräch der Sitznachbarn belauschen
-ein Gespräch mit den Sitznachbarn führen (wenn fremd: nix für sozial Ängstliche)
-Hausaufgaben/ Notizen machen
-an den Nägeln rumknibbeln
-einen unterdrückten Wutanfall wegen lauten Telefonierern/ lauten Kindern/ stinkenden Hunden/ nach Parfum stinkenden Omas bekommen
-rätseln
-Handarbeit (beide Lesarten möglich)
-eine imaginäre Diskussion führen
-an den Stangen herumturnen
-das Spiel "Fahre Bus, ohne dich festzuhalten" perfektionieren
-dem Busfahrer die Emotionen vom Gesicht ablesen
-sich an unsittlichen Stellen kratzen (unauffällig, es wird jedoch über die Fensterspiegelung gesehen)
-alle Haltestellen in der richtigen Reihenfolge auswendiglernen
-den mitgebrachten Proviant verspeisen
-einen illegalen, politisch explosiven Edding-Eintrag ("No Nazis!" oder "ACAB") auf dem Sitz verewigen
-nervigen Verkehrsteilnehmern oder Mitfahrern hinter vorgehaltener Hand den Stinkefinger zeigen
-sich einem Tagtraum hingeben
-den Thrill des Schwarzfahrens erleben (hinten einsteigen!)
-schlafen
etc.etc.
Montag, 19. Januar 2015
Individualität = Arbeit
Die Gesellschaft in der wir leben ist
manchmal so seltsam starr und fix. Selbst in unserem Glauben, wir könnten alles
entscheiden und erreichen, wenn wir es doch nur wollten, ist oft wenig
Spielraum zur echten Entfaltung. Als ich heranwuchs, erklärte man mir, ich
könne alles werden, ich sei hübsch und stark. Die Power-Girlie-Jahre. Doch was
meine Eltern mir als Tatsache verkauften, war im Grunde nur ein frommer Wunsch,
den sie selbst nicht so recht definieren konnten. Der Graben ist oft tief
zwischen wollen und wollen sollen und noch häufiger
verschwimmen diese beiden ineinander und man glaubt etwas zu wollen, was doch
nur allgemeiner Konsens ist.
Man versucht einen guten Platz in der
Welt zu finden. Das will man, das soll man. Man versucht gute Noten in der
Schule zu schreiben, eine gute Ausbildung zu absolvieren, ein gutes Studium
abzuschließen. Das will man, das soll man.
Aber weshalb dieser schale
Nachgeschmack? Als würde man fremde Gedanken denken, einen fremden Weg gehen. Kann
das sein?
Ich glaube schon. Ständig wird einem
Individualität wie ein Produkt verkauft. Wie eine leere Mogelpackung wird sie
einem hingeschoben. „Komm schon, mach sie auf. Du willst es. Es ist nur für
dich. Das kannst du nicht ablehnen.“ Du sollst sie konsumieren und zelebrieren.
In der Arbeit - in der Kleidung, die du trägst - in dem Sport den du treibst -
in den Kindern, die du erziehst. Alles scheint wie für dich gemacht. Du musst
es nur auf deine Bedürfnisse zu Recht schneiden. Am besten mit viel Geld und
noch mehr Arbeit.
Arbeit ist die Zauberformel, der Sinn,
des echten Erwachsenenlebens. Sie soll ersetzen, was im Zuge der
Säkularisierung verloren gegangen ist. Sie soll Sinn stiften und den einzelnen
damit auch in der inneren Entwicklung vorantreiben.
Doch was ist, wenn echte Entfaltung,
echte Individualität auch Verzicht bedeutet, Rückzug, eine andere Meinung oder
mehr Ruhe, um gedankenversunken vor sich hinzuwerkeln?
Oft spukt der Gedanke in meinem Kopf, ob
die Strategien, die ich für die Gestaltung meiner Zukunft anwende, motiviert
und gesteuert werden von gestrigen Ratschlägen. Manchmal habe ich den Eindruck,
ich stehe an der Schwelle einer neuen, fremden Arbeitswelt, deren Gesetze ich
nicht beherrsche. Sie bleibt mir auch deshalb verwehrt, weil sie generell noch
nicht in das Bewusstsein einer breiteren Gesellschaft eingegangen ist – einer
deutschen Gesellschaft. Die alten Pfade, auf denen noch meine Eltern wandelten,
hießen, Festanstellung, Papierbewerbung, 40 Stundenwochen in ein und demselben
Büro, selbst wenn nichts zu tun war, familienfeindliche Firmenstrukturen etc.
Mir wurde beigebracht mich anzupassen, keine Forderung zu stellen, sondern
dankbar zu sein, wenn man mich überhaupt einstellt. Diese Ansichten halten sich
und werden hartnäckig von Arbeitsämtern, den Medien, von Lehrern, Nachbarn oder
Freunden verbreitet. Aber vielleicht wissen sie es selbst nicht besser. Doch
ist es nicht gefährlich, die eigene Persönlichkeit vollständig auf dem ziemlich
brüchigen Konstrukt der Arbeit aufzubauen? Und was machen wir mit denen, die
nicht mehr zum Club der Arbeitnehmer gehören? Haben sie dann, überspitzt
ausgedrückt, keine Persönlichkeit und keine Möglichkeit zu Individualität mehr?
Vor einigen Monaten las ich einen
Artikel im Spiegel darüber, dass der Schulbeginn um 8 Uhr in der Frühe den
Biorhythmus von Schulkindern durcheinander bringe und sie so schlechtere
Leistungen in der Schule erbrächten. Professor Doktor Sowieso schlug vor, den
Beginn ein wenig nach hinten zu verlegen. Als ich anschließend die
Leserkommentare unter dem Artikel studierte, schlug mir eine Welle der
Entrüstung und Verachtung entgegen. Viele sahen darin die Verzärtelung der
Kinder und den buchstäblichen Untergang des Abendlandes. Es war so lächerlich.
Ein Leser argumentierte, dass der Unterrichtsbeginn eine Vorbereitung auf das
Berufsleben sei. Als eine Leserin bemerkte, dass die Schule zur Vermittlung von
Bildung da sei und Grundschulkinder sicherlich nicht um 8 Uhr in der Schule
sein müssten, weil man sie an das Berufsleben gewöhnen wolle, stieß sie auf
Unverständnis. Auch der Einwand, dass viele Berufe erst Mittags oder in der
Nacht beginnen würden und damit dieses Argument hinfällig sei, konnte die Leser
nicht davon abbringen, in einer möglichen Verschiebung des Unterrichtsbeginns
einen Verfall der Sitten zu argwöhnen.
Da geht der Zug also hin. Zu Disziplin,
Zucht und Ordnung. Einige sehnen sich ab und an noch nach den alten Zeiten,
nicht wahr? Habe ich schon erwähnt, wie unglaublich lächerlich das ist? Ich
habe den Eindruck, dass die meisten Menschen ihre Erziehungstipps noch aus dem Ratgeber
von Johanna Haarer beziehen. Sie propagierte Menschen zu Kriegsmaterial zu
erziehen. Unser heutiges Erziehungsziel ist die möglichst hohe Verwertbarkeit
des Einzelnen in der Arbeitswelt zu gewährleisten. Wie kann es sein, dass ein
Mensch, der morgens schwerer aus dem Bett kommt, gleich als faul, arbeitsunwillig,
schmarotzend und damit gar unwert verschrien wird? Wieso versuchen wir jeden in
ein bestimmtes Korsett zu quetschen und wenn er es nicht schafft, sich
anzupassen, hat er grundsätzlich versagt? Reagieren wir da nicht als
Gesellschaft über? Sollte man nicht die Kirche im Dorf lassen? Es gibt Länder
auf dieser Welt, da beginnt ein Arbeitstag nicht um Punkt 8 Uhr. Die Arbeit
wird erledigt, wie sie anfällt.
Mir kommt eine Dokumentation über Frauen
im Himalaya in den Sinn. Ich habe sie schon einige Male auf Arte gesehen. Eine
französische Ethnologin hat sie gedreht. Die Frauen arbeiten auf dem Feld und
selbstverständlich müssen sie ihre Arbeit erledigen, um den Winter zu
überstehen, aber wenn sie müde sind, machen sie einfach ein kleines Nickerchen
auf dem Feld. Warum auch nicht? Wer will sie hindern? Ein Chef, der auf die Uhr
zeigt und sagt, dass es noch nicht 17 Uhr ist?
Wer legt diese Regeln eigentlich fest
und die noch viel entscheidendere Frage ist, wann haben wir angefangen, diese
für eine unumstößliche Wahrheit zu halten? Es grenzt an Wahnsinn, wie unsere
deutsche Gesellschaft die gegenwärtigen gesellschaftlichen Strukturen, für wahr
und absolut hält. Ich finde es reichlich arrogant und kurzsichtig. Es ist
hinreichend bekannt, dass in anderen Ländern andere Strukturen gelten und auch
funktionieren. Menschen und die Bedingungen, in denen sie leben sind sehr
verschieden.
Ich weiß, dass ein kleiner Teil meiner
Generation sich ähnliche Fragen stellt wie ich. Es gibt Bewegungen, die die
Arbeitswelt erneuern und umstrukturieren wollen. Viele haben diesen
sinnentleerten Leistungsdruck und den Konsumterror satt. Um meine Belesenheit
zum Schluss noch komplett zu machen, habe ich in der Zeit einen Artikel darüber
gelesen, wie sich eine Hochschulabsolventin direkt nach dem Studium bewusst für
eine Teilzeitstelle entschieden hat, weil sie mehr Lebensqualität für sich wollte.
Nein, sie hatte keine Kinder und nein, sie musste nicht ihre demente Mutter
pflegen. In unserem Land ist dies in der Tat eine sehr revolutionäre, wenn
nicht gar provozierende Einstellung. Ein Land, in welchem Faulheit als eine der
schlimmsten Sünden gilt, die sich ein deutscher Bürger, neben Mord leisten
kann. Gut, ich übertreibe. Doch ich möchte wetten, dass selbst der Liberalste
unter uns, so ein verdächtiges Gefühl in der Magengegend hat, wenn er darüber
nachdenkt, dass hier einfach nichts!
nach dem 4-5 Stunden Tag gemacht wird. Vielleicht nicht einmal ein
kräftezehrendes Ehrenamt. Oh Schreck! Freizeit wird nur maximal toleriert,
soweit sie dazu dient einen für die Arbeit wieder fit zu machen. Damit Basta!
Samstag, 17. Januar 2015
Eine frühzeitig Gealterte redet über Primark
Ich mag keine Jugendliche. Ich mochte schon keine Jugendliche, als ich selber noch einer war. Solche Phänomene wie Primark (der relativ neue Star am deutschen Fashionpimm...-himmel, herrgottnochmal!) präsentiert ziemlich beispielhaft und deshalb für mich persönlich befriedigend, dass diese idiosynkratische Abneigung nicht unbegründet, sondern logisch nachvollziehbar und vielleicht sogar angebracht ist (ganz sicher ist sie das).
Primark ist für mich das Symbol für den interesselosen und deshalb shoppingbegeisterten, leicht zu steuerbaren, oberflächlichen, anpassungsbereiten Teenager. Natürlich sind auch Erwachsene dort Kunden, doch es drängt sich der Eindruck auf, dass sich diese bei Betreten in ihr überdrehtes, vierzehnjähriges Selbst zurückverwandeln, so, als träten sie nicht durch eine einfache Glastür, sondern durch die Zaubertür aus der Mini-Playback-Show. Da wird sich in hektischen Aufdiefüßetretwegstoß-Bewegungen, oftmals mit dümmlicher und leicht ekstatischer Gier in den Augen, der Weg zu den supertrendigen Kleinodien, die zu hunderten und tausenden feil geboten werden, gebahnt.
Hauptsache viel, mehr, am vielsten. Magere Dreizehnjährige sowie Frauen (und natürlich auch ein paar Männer) jeder Couleur und jedes Alters schaufeln sich mit für diesen Zweck extra ausgefahrenen Transformer-Armen die Ware in halbdurchsichtige Stoffcontainer, in denen man sonst allerhöchstens verpupste Kuscheltiere oder dreckige Wäsche bunkern würde. Dreiviertel der Oberteile liegen schon seit spätestens 12.30 auf dem Boden; da hocken auch die Halbkinder und Halberwachsenen und sortieren nun in Allerseelenruhe (die Erregtheit ist abgeschlafft, die Beute ist erlegt) in "kaufe ich auf jeden Fall", "wenn Mama das bezahlt" und "lasse ich hier, vielleicht beim nächsten Mal".
War es jahrzehntelang eine taktisch fingierte Rebellion der Jugend, auf Manieren zu verzichten und sich, wann immer es nur geht, daneben zu benehmen, kommt es heute einigen Leuten gar nicht in den Sinn, dass es möglicherweise unhöflich und unangebracht sein könnte, sich mit seinem Hab und Gut inmitten eines Ganges in einem viel besuchten Ladengeschäft auf den Boden plumsen zu lassen.
Wie jeder Misantroph, der was auf sich hält, weiß ich, dass Menschengruppen immer exorbitant schlimmer sind als einzelne Menschen. Und das gilt besonders bei Jugendlichen. Erst in einer (Shopping-)Gruppe von mindestens 3-4 Personen kann sich die Blüte ihrer Albernheit, Banalität, Dümmlichkeit und manchmal Grobheit voll entfalten und zwar so aufdringlich und selbstverständlich, dass Ignoranz von meiner Seite aus kaum möglich ist. Während ich das schreibe, fühle ich mich wie eine Oma. Vorzeitig gealtert. Egal.
Diesen Samstag fahre ich mit der Straßenbahn an der örtlichen Filiale vorbei und starre gleichsam neugierig und voller Abscheu durch die Scheiben (Bahn und Schaufenster). Direkt nebenan ist ein Tschibo, der, wie es das Klischee will, voll ist mit abgekämpft guckenden Männern von Frauen. Ich denke liebevoll an ihren geistigen Schutzpatron, Helge Schneider, der damals bis zu 15 Tassen günstigen "Probekaffee" beim Eduscho trank und dort einen ganzen, wunderbaren Vormittag verbrachte. Starke Gefühle der Sympathie überwältigen mich.
Primark ist für mich das Symbol für den interesselosen und deshalb shoppingbegeisterten, leicht zu steuerbaren, oberflächlichen, anpassungsbereiten Teenager. Natürlich sind auch Erwachsene dort Kunden, doch es drängt sich der Eindruck auf, dass sich diese bei Betreten in ihr überdrehtes, vierzehnjähriges Selbst zurückverwandeln, so, als träten sie nicht durch eine einfache Glastür, sondern durch die Zaubertür aus der Mini-Playback-Show. Da wird sich in hektischen Aufdiefüßetretwegstoß-Bewegungen, oftmals mit dümmlicher und leicht ekstatischer Gier in den Augen, der Weg zu den supertrendigen Kleinodien, die zu hunderten und tausenden feil geboten werden, gebahnt.
Hauptsache viel, mehr, am vielsten. Magere Dreizehnjährige sowie Frauen (und natürlich auch ein paar Männer) jeder Couleur und jedes Alters schaufeln sich mit für diesen Zweck extra ausgefahrenen Transformer-Armen die Ware in halbdurchsichtige Stoffcontainer, in denen man sonst allerhöchstens verpupste Kuscheltiere oder dreckige Wäsche bunkern würde. Dreiviertel der Oberteile liegen schon seit spätestens 12.30 auf dem Boden; da hocken auch die Halbkinder und Halberwachsenen und sortieren nun in Allerseelenruhe (die Erregtheit ist abgeschlafft, die Beute ist erlegt) in "kaufe ich auf jeden Fall", "wenn Mama das bezahlt" und "lasse ich hier, vielleicht beim nächsten Mal".
War es jahrzehntelang eine taktisch fingierte Rebellion der Jugend, auf Manieren zu verzichten und sich, wann immer es nur geht, daneben zu benehmen, kommt es heute einigen Leuten gar nicht in den Sinn, dass es möglicherweise unhöflich und unangebracht sein könnte, sich mit seinem Hab und Gut inmitten eines Ganges in einem viel besuchten Ladengeschäft auf den Boden plumsen zu lassen.
Wie jeder Misantroph, der was auf sich hält, weiß ich, dass Menschengruppen immer exorbitant schlimmer sind als einzelne Menschen. Und das gilt besonders bei Jugendlichen. Erst in einer (Shopping-)Gruppe von mindestens 3-4 Personen kann sich die Blüte ihrer Albernheit, Banalität, Dümmlichkeit und manchmal Grobheit voll entfalten und zwar so aufdringlich und selbstverständlich, dass Ignoranz von meiner Seite aus kaum möglich ist. Während ich das schreibe, fühle ich mich wie eine Oma. Vorzeitig gealtert. Egal.
Diesen Samstag fahre ich mit der Straßenbahn an der örtlichen Filiale vorbei und starre gleichsam neugierig und voller Abscheu durch die Scheiben (Bahn und Schaufenster). Direkt nebenan ist ein Tschibo, der, wie es das Klischee will, voll ist mit abgekämpft guckenden Männern von Frauen. Ich denke liebevoll an ihren geistigen Schutzpatron, Helge Schneider, der damals bis zu 15 Tassen günstigen "Probekaffee" beim Eduscho trank und dort einen ganzen, wunderbaren Vormittag verbrachte. Starke Gefühle der Sympathie überwältigen mich.
Donnerstag, 15. Januar 2015
Work hard, party hard! (ein Traum wird für Sie wahr)
10 hilfreiche Schritte zur Entwicklung eines erfüllenden und gesellschaftlich akzeptierten "work hard- party hard"-Lifestyles:
(besonders geeignet für Intellektuelle, Depressive, Dicke, Faule Schüchterne uvm.)
1.) Die Karriere als einzigen und wichtigsten Lebensinhalt für sich erkennen, um sich eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit anderen, möglichen Werten und Zielen zu ersparen.
2.) Reden Sie sich ein, es wären "Leidenschaft", "Idealismus" und "der Wunsch nach Auslebung von Kreativität", die Sie jeden Tag zur Arbeitstelle treiben, und nicht die Angst vor dem Versagen/dem finanziellen Ruin/dem Chef/der Arbeitsagentur/dem Urteil von Partner, Familie & Freunden/einer Zukunft ohne Rente/einer Zukunft ohne Komfort.
3.) Lernen Sie, Ihre Einstellung und Maßstäbe als die einzig Akzeptablen zu begreifen. Jeder, der das nicht so sieht ist einfach eine faule, neidische Sau, selbst Schuld.
4.) Verfluchen Sie nicht die Überstunden (höchstens mal kokettierend mit der attraktiven Dame im Cafe), sondern sehen Sie sie als Chance, sich selbst und allen anderen zu beweisen, was für ein diszipliniertes, pflichtbewusstes, verwertbares und wertvolles Dienstmaterial Sie sein können.
5.) Richtige Freunde außerhalb der Arbeit brauchen Sie nicht, für die ist eh keine Zeit und Lust mehr da, sie haben schließlich ihre Partyleute (50% Kollegen, 50% Bekannte, die Sie ausschließlich vom Feiern kennen), die sind immer für Sie da, wenn Sie nach dem dritten Zwölfstundentag mal etwas Abwechslung brauchen.
6.) Ihre Entspannung hat größtenteils über Konsum von Alkohol, Drogen, Tanzmusik, Shoppingartikeln, Menschen, Fitness, Extremsport, Abenteuerreisen und Entschleunigungskursen im Lunchbreak stattzufinden.
7.) Wer hart arbeitet, muss natürlich auch hart feiern und dann selbstverfreilich wieder arbeiten, was bedeutet, dass Sie nach vier Stunden Schlaf wieder auf der Matte stehen, in frischen Klamotten, aber kaputt und halbtot, aber das ist ja fast eine Auszeichnung, wer sich am schnellsten und effektivsten herunterwirtschaften kann, da grinst dann auch der Kollege verständnisvoll, hehe, feiern unter der Woche, er weiß Bescheid.
8.) Aus diesem Grund ist es notwendig, dass Sie sich einen Grundstock an Energydrinks zulegen (aber nur Red Bull und Konsorten, nicht diese billigen Assi-Drinks, die sich morgens ungewaschene Teenager im Bus reinkippen). Kaffee geht auch, vorzugsweise doppelter Espresso, obwohl dieser gerade mal so stark ist wie ungf. eine Tasse lascher Filterkaffee, wie der Besserwisser vom Schreibtisch am Panoramafenster weiß.
9.) Verzichten Sie gerne auf so unnötige, kleinbürgerliche Annehmlichkeiten wie Weihnachtsgeld und bezahlte Überstunden, schließlich wird einmal jährlich die gesamte Belegschaft zum edlen Dinner ins Fernsehturmrestaurant gekarrt, in weißen Limousen, natürlich gemietet, aber immerhin. Und das ist ja schon mal ne mondäne Sache,mannomann, da haben die ja mal was springen lassen.
10.) Ganz wichtig: nicht nachdenken, hinterfragen oder gar kritisieren, sondern die gegebene Gesellschaftsordnung als wahrhaftig und vorallendingen: unveränderbar! anerkennen. Denn wer nicht mitspielt, ist dumm.
Mittwoch, 14. Januar 2015
Geschäftesterben - Ende des Konsumwahns?!
Ich bin
Düsseldorferin. Nicht gebürtig. Nicht besonders lange. Ich wohne seit knapp 5
Jahren hier. Aus dem beschaulichen, gemütlichen Münster habe ich mich in die
Landeshauptstadt gewagt. Es war nicht ganz freiwillig, doch meine Erwartungen
waren groß an diese Stadt. Mein Bild entstammte den gängigen Klischees.
Unglaublich reich und versnobt stellte ich sie mir vor. Gehetzte Businessleute
in grauen Anzügen und dem Handy am Ohr, überschminkte Russinnen im Pelzmantel,
schlecht gelaunte Stadtmenschen und eine Flut an Konsumenten, die die Geschäfte
und Cafés bevölkert.
Selbstverständlich
ist es nicht so schwarz-weiß. In mancher Hinsicht ist Düsseldorf sogar eine
Stadt wie jede andere auch. Dennoch bemerkte ich schnell, dass die Schere
zwischen Arm und Reich an manchen Stellen ganz schön stark auseinander klafft.
Bis heute bin ich oft entsetzt wie vollkommen verelendet manche Obdachlose
sind. Ich blicke in aufgequollene, zerschundene Gesichter. Menschen, die
eingenässt auf einer Parkbank liegen. Man weiß nicht recht, ob man sie
vorsichtig an stupsen sollte, um zu überprüfen, ob sie noch atmen. Gottseidank
haben sie sich dann doch immer noch einmal kurz bewegt. Vor 2 – 3 Jahren sah
ich sogar eine Frau, die sich mitten auf der Kreuzung Friedrichstraße und
Grafenberger Allee erleichtert hat. Sie war jenseits von Gut und Böse. Bis
heute geht mir diese Szene nicht aus dem Kopf. Die Würde des Menschen ist
unantastbar, heißt es im Grundgesetz.
Aber wie ist es, wenn man sich selbst jeder eigenen Würde beraubt und was macht
das mit den Umstehenden. Mich hat es noch sensibler gemacht für die
Unstimmigkeiten in dieser Welt.
Eine Frage, der ich dabei nachgegangen bin, war die Frage, wieviel Besitz braucht der Mensch, um glücklich zu sein. Nach dem Kaufverhalten mancher Düsseldorfer zu schließen, bekommt man oft den Eindruck, dass es unglaublich viel sein muss. Auch ich tappe manchmal in die Falle dieses Irrglaubens, wenn ich noch dieses hätte oder davon ein bißchen mehr, würde sich damit auch automatisch das Glücklevel steigern. Natürlich mache ich mir immer wieder schnell klar, dass es ein Trugschluss ist.
Eine Frage, der ich dabei nachgegangen bin, war die Frage, wieviel Besitz braucht der Mensch, um glücklich zu sein. Nach dem Kaufverhalten mancher Düsseldorfer zu schließen, bekommt man oft den Eindruck, dass es unglaublich viel sein muss. Auch ich tappe manchmal in die Falle dieses Irrglaubens, wenn ich noch dieses hätte oder davon ein bißchen mehr, würde sich damit auch automatisch das Glücklevel steigern. Natürlich mache ich mir immer wieder schnell klar, dass es ein Trugschluss ist.
Mein Freund und
ich machen gerne lange Streifzüge durch die Stadt. Wir schauen, was es neues
gibt und was uns inspiriert. Düsseldorf belegt laut Mercer-Studie 2014 im
nationalen und internationalen Vergleich mit anderen Städten gute bis sehr gute
Ergebnisse. Besonders was die Lebensqualität betrifft belegte sie sogar den
sechsten Platz. Der Stadt scheint es insgesamt gut zu gehen und sie bietet
wirklich sehr viel. Neben einer großen japanischen und der griechischen
Gemeinde, die ich wirklich schätzen und lieben gelernt habe, gibt es Museen,
Galerien, die Rheinpromenade, das wunderschöne Marionettentheater und vieles
mehr. Doch für all diese Dinge braucht man häufig Geld. Man sollte meinen, dass
es in solch einer reichen Stadt wie Düsseldorf nicht wirklich das Problem ist.
Laut dem
Planungsamt/ Rahmenplan Einzelhandel 2007 der Stadt umfasst die
Gesamtverkaufsfläche im Stadtgebiet 834.215 m². Besonders im Textilhandel
und bei der Luxusbekleidung soll Düsseldorf führend sein. Die Königsallee ist
berühmt. Täglich sieht man Menschenmassen, die sich da drüber bewegen. Shoppen
bis die Brieftasche qualmt. Trotzdem drängte sich mir in den vergangen Monaten
irgendwie ein anderer Eindruck auf. Plötzlich sah ich in den Schaufenstern
statt Angeboten oder die neusten Trends nur noch Schilder mit der Aufschrift:
„Wir schließen“. Irgendwann wurde es so auffällig, dass ich begann mir die
Geschäfte zu notieren.
Innerhalb der
letzten sechs bis acht Monate haben folgende Geschäfte geschlossen,
beziehungsweise werden schließen:
- Strauss Innovation
- Kaufhof
- Reno
- Starbucks
- Dulce
- Jades Outlet
- Jerry’s exclusive (Luxusschuhgeschäft)
- Pelzladen Feilitisch
- Edwards (Luxusschuhgeschäft)
- Nanu Nana
- Bonita
- Esprit
- Tally Weijl
- Diverse Kleinläden, Sonnenstudio, eine Gärtnerei
Was soll einem
das jetzt sagen? Sind das die ersten Vorzeichen für das Ende des Kapitalismus
oder sind nur alle Leute aufs Onlineshopping umgestiegen. Wobei ich gehört
habe, dass Zalando auch nicht wirklich schwarze Zahlen schreibt.
Nun kann ich
wenigstens bei mir sagen, dass sich mein Konsumverhalten in den letzten Jahren
tatsächlich reduziert hat. Ich habe gar nicht mehr dieses ausgeprägte Bedürfnis
ständig neue Dinge anzuhäufen. Sicher habe ich hin und wieder den einen oder
anderen Wunsch. Aber mir ist klar geworden, dass sich einige Dinge nicht mit
Geld kaufen lassen. Beispielsweise Zeit und Muße für sich selbst und andere.
Abonnieren
Posts (Atom)